Uhrwerk Orange [Anthony Burgess] - Buch Review

Originaltitel: A Clockwork Orange
deutsch: Uhrwerk Orange
Autor: Anthony Burgess
Genre: Dystopie, Sci-Fi
Format: Roman (240 Seiten)
Originalsprache: Englisch (UK)
VÖ: 1962
goodreads: A Clockwork Orange by Anthony Burgess | Goodreads
TheStoryGraph: A Clockwork Orange by Anthony Burgess | The StoryGraph





Ein Statement zugunsten menschlicher Entscheidungsfreiheit, das seinem Klassikerstatus besonders durch die besondere sprachliche Gestaltung gerecht wird.

Klappentext

Der 15-jährige Alex sitzt mit seinen Droogs in der Korowa Milchbar. Sie lassen sich durch die Rassudocks gehen, wie der Abend laufen soll, ein flipper dunkler kalter Winterarsch. Auf die Frage, was läuft, wenn die Messer in der Moloko zu stechen anfangen, gibt es nur eine Antwort: eine Runde Zwanzig-gegen-einen! (Quelle: Uhrwerk Orange, Klappentext)

Review

Uhrwerk Orange ist ein dystopischer Roman, der im England der nahen Zukunft spielt und als moderner Klassiker gilt. Zentrales Thema ist die Frage nach der freien Wahl des Menschen zwischen Gut und Böse. Der Protagonist und Ich-Erzähler Alex verbringt seine Abende damit, aus Spaß an der Gewalt wehrlose Opfer zu überfallen, bis er in einer Besserungsanstalt einer neuartigen Behandlung unterzogen wird, die ihn in einen besseren Menschen verwandeln soll. Eine Besonderheit des Romanes ist der umgangssprachliche Stil, insbesondere die vom Erzähler ständig verwendete, fiktive Jugendsprache "Nadsat", die an das Russische angelehnt ist. Wegen expliziter Darstellungen von Gewalt eignet sich das Buch nur bedingt für empfindsame Leser, gleichzeitig vermittelt er aber auch ein bisschen das Gefühl von Schullektüre, wie beispielsweise Neunzehnhundertvierundachtzig, Fahrenheit 451 oder Der Fänger im Roggen. Für diese Review habe ich die deutsche Übersetzung von Ulrich Blumenbach gelesen, die auch das in der Ursprungsfassung nicht enthaltene letzte Kapitel enthält.

✅Highlights

  • einzigartiger fiktiver Slang
  • auf simple Weise tiefgründig
  • exzellenter Sprachstil
Die augenscheinlichste Besonderheit des Romans ist sein besonderer Sprachstil. Die Prävalenz von Slang-Ausdrücken wird bereits deutlich, wenn man den Klappentext liest - die Geschichte ist voll von fiktiven Jugendwörtern, die für ein sehr besonderes Leseerlebnis sorgen. Auch wenn es am Anfang nicht leicht war, sich daran zu gewöhnen, unterstützen diese das exzentrische Gefühl des Romans und lassen ihn zugleich futuristisch und zeitlos wirken. Während meine oberflächlichen Russischkenntnisse durchaus vorteilhaft waren, kann man in der Regel die Bedeutung gut aus dem Kontext schließen. Es ist erstaunlich, wie sehr die Jugendsprache des Romanes an die heutige deutsche Jugendsprache erinnert, die ebenfalls stark von Lehnwörtern geprägt ist. Der Slang ist allerdings nicht die einzige Besonderheit des Sprachstils, der vom Erzähler jeweils der Situation angepasst wird und von sehr geschwollenem Schwadronieren, über trockenen und bodenständigen Zynismus und Kindersprache, bis hin zu blumiger Poesie reicht. Die Geschichte bietet mitunter somit einen interessanten Kontrast zwischen kultivierter Ausdrucksweise und seinen ultrabrutalen Inhalten. Durchgängig vermittelt die Sprache auch Humor und Charme, die den Antihelden trotz moralischer Differenzen unweigerlich sympathisch machen und gehört durch seine Eloquenz und den wohlplatzierten Einsatz zu den größten Stärken des Romans. Auch wenn in Uhrwerk Orange nicht gerade philosophische Dämme gebrochen werden, schafft es der Roman zudem interessante, tiefgreifende Fragen aufzuwerfen, die zum Nachdenken anregen und gleichzeitig sehr zugänglich bleiben.

❌Schwächen

  • dünner Plot
  • stereotype Ideen von Gut und Böse
  • polarisierendes Ende
  • mühsam zu verstehen
Statt auf eine komplexe Handlung konzentriert sich Uhrwerk Orange in seinen drei lose verknüpften Teilen hauptsächlich auf die Charakterentwicklung des Protagonisten, was manche der Ereignisse belanglos wirken lässt. Zwar enthält der Roman philosophische und politische Ansätze, behandelt diese allerdings recht plakativ und oberflächlich. Die Ideen von Gut und Böse sind stereotyp und werden nicht hinterfragt und das ethische Dilemma wird nicht nur allzu konkret ausformuliert, sondern sogar auf recht plumpe Weise "gelöst", was insgesamt so wirkt, als würde einem ein Teil der aus dem Werk zu ziehenden Schlüsse vorgekaut werden. Kurz gesagt haben mir die aufgeworfenen Fragen mehr zugesagt, als die darauf gegebenen Antworten. Besonders das Ende, das ich hier nicht vorweg nehmen will, hat für mich deplatziert gewirkt - kein Wunder, dass es bis heute kontrovers diskutiert wird und aus der ursprünglichen US-Fassung sogar gestrichen wurde. Auch wenn ich persönlich großen Gefallen an dem besonderen Sprachstil des Romans fand, kann die Vielzahl von fiktiven Slangwörtern besonders am Anfang für Verständnisprobleme sorgen und das Lesen mühsam gestalten. Für mich selbst weniger problematisch, aber für manch andere vielleicht relevant, sind zudem die vielen expliziten Gewaltdarstellungen, denn eine Aufzählung der Lieblingshobbies unseres Protagonisten Alex liest sich wie eine Liste von Trigger-Warnungen.

Fazit: 4/5  

Ein Statement zugunsten menschlicher Entscheidungsfreiheit, das seinem Klassikerstatus besonders durch die besondere sprachliche Gestaltung gerecht wird.

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