Zeremonie des Lebens [Sayaka Murata] - Buch Review
Originaltitel: 生命式
international: Life Ceremony
deutsch: Zeremonie des Lebens
Autor: Sayaka Murata
Genre: Zeitgenössisch, Horror, Comedy
Format: Kurzgeschichtensammlung (12 Geschichten, ~ 256 Seiten)
Originalsprache: Japanisch
VÖ: 2019
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TheStoryGraph: Life Ceremony by Sayaka Murata | The StoryGraph
Eine bunte Tüte der Konventionskritik, deren Glanzmomente sich unter fadem Beiwerk verbergen.
Klappentext
In diesen so aufrüttelnden wie beglückenden Geschichten über Familie und Freundschaft, Sex und Intimität, Zugehörigkeit und Individualität lotet Murata aus, wie schockierend, phantastisch und unheimlich man denken muss, um etwas Wahres über unsere Realität erzählen zu können. (Quelle: goodreads.com)
Review
Nach den beiden Romanen Die Ladenhüterin und Das Seidenraupenzimmer wurde mit Zeremonie des Lebens erstmals auch eine Kurzgeschichtensammlung der aufstrebenden japanischen Autorin Sayaka Murata in die deutsche Sprache übersetzt. Das übergreifende Thema lässt sich gut in folgendem Zitat zusammenfassen: "Normalität ist die Art von Wahnsinn, die auf der Welt erlaubt ist." Wie auch in ihren Romanen stellt Murata kulturelle Normen in Frage und bezieht sich dabei zum Beispiel auf Partnerschaft, Sexualität, Essgewohnheiten oder althergebrachte Traditionen innerhalb des modernen Japans. Ihre Erzählungen verbinden auf einzigartige Weise Horror mit Humor, oftmals haben sie surreale, absurde und groteske Qualitäten, enthalten jedoch gleichzeitig auch eine verträumte Schönheit. Der Sprachstil ist modern und trocken, was für eine einfache Lesbarkeit sorgt. In ihren Höhepunkten wecken die Geschichten aus Zeremonie des Lebens ein Gefühl von Entrücktheit, das irgendwo zwischen Verstörung und Verzauberung liegt.
✅Highlights
- faszinierende Konzepte
- ermutigt zur Akzeptanz von Individualität
- sprachlich zugänglich
- geschmackvolle Grenzüberschreitung
Die Prämissen der Kurzgeschichten waren oft für sich genommen sehr interessant und unkonventionell - beispielsweise erzählt eine der Geschichten eine Romanze aus der Sicht eines Vorhangs; in einer anderen werden die Menschen als Organe von Gebäuden dargestellt. Die Protagonisten sind zumeist Menschen, die die Welt aus einer besonderen Perspektive wahrnehmen und deren Innenleben nicht recht in das Normalitätsbild ihrer Gesellschaft passt. Besonders Leser, die sich mit diesem Gefühl identifizieren können, finden in Zeremonie des Lebens Zuspruch ihre eigene Individualität zu akzeptieren. Immer wieder spricht aus den Erzählungen die Grundaussage, dass es normal ist, nicht normal zu sein. Sprachlich sind die Geschichten durch den einfachen Stil sehr zugänglich, sodass der seltene Einsatz von blumigeren Umschreibungen wiederum besonders wirkungsvolle Akzente setzt. Auch wenn in den Geschichten teilweise krasse Tabubrüche thematisiert werden, gelingt es Murata diese geschmackvoll zu beschreiben, ohne vulgär zu wirken. Mein persönlicher Favorit war die titelgebende Geschichte Zeremonie des Lebens.
❌Schwächen
- qualitativ durchwachsen
- stilistisch zu simpel
- manche Geschichten wirken belanglos
- wenig Vielfalt bezüglich Charaktere, Settings und Themen
Leider haben unter den zwölf Geschichten nur wenige ein abgerundetes, pointiertes Gefühl vermittelt. Die meisten haben mich in verschiedenem Grade gelangweilt, keine besondere emotionale Wirkung gehabt, oder mich etwas ratlos hinterlassen. Besonders die kürzeren Geschichten konnten mich nicht überzeugen. Die Glanzmomente, in denen Zeremonie des Lebens seine ganze Wirkung entfaltet, musste ich somit aus viel "Füllmaterial" ausgraben. Der sprachliche Stil ist für meinen Geschmack teilweise zu simpel geraten und weckte manchmal den Wunsch nach etwas weniger Deskription und mehr Bilderreichtum. Ein bisschen gestört hat mich außerdem die fehlende Vielfalt, was sowohl die Charaktere, als auch das Setting angeht - meist sind die Protagonisten mittelständische Frauen, die abgesehen ihrer jeweiligen Marotte austauschbar wirken, und das Setting entfernt sich nur selten vom japanischen Stadtleben. Auch mit Hinblick auf ihre Romane fällt auf, dass Murata sich besonders in einem bestimmten, eng umrissenen Themengebiet wohlfühlt, sodass es wirkt, als würde sie die gleiche Aussage immer wieder in neuen Worten wiederholen. All diese Aspekte zusammengenommen weckten bei mir beim Lesen den Eindruck einer gewissen Eintönigkeit.
Fazit: 2/5 ⭐
Eine bunte Tüte der Konventionskritik, deren Glanzmomente sich unter fadem Beiwerk verbergen.
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